Menschen mit einer körperlichen Beeinträchtigung können nie selbständig leben! Oder etwa doch? Im Rollstuhl sitzen – cool! Oder etwa doch nicht? Behinderte haben keine Hobbys! Wer weiss, vielleicht ja doch?
Es waren diese und ähnliche Fragen, mit denen sich die Schülerinnen und Schüler der drei siebten Klassen auseinandersetzten, bevor ein Team der Rodtegg nach Zell kam, um den Jugendlichen in einer zweistündigen Roadshow einen Einblick in das Leben mit einer körperlichen Behinderung zu geben.
Im Zentrum standen dabei die Themen Mobilität, Kommunikation und selbstbestimmte Freizeitgestaltung. In Gruppen konnten sich die Schülerinnen und Schüler jeweils rund eine halbe Stunde lang in diesen Themenfeldern ausprobieren: Sie setzten sich in einen Rollstuhl und versuchten, eine Türschwelle zu bezwingen, liessen sich Beinschienen anlegen, mit denen schon das Aufstehen vom Boden zu einer Herkules-Aufgabe wurde, bildeten einfache Sätze mit Hilfe von Piktogrammen und einem Sprachcomputer und bemühten sich, mit einer simulierten Sehbehinderung einen halbwegs leserlichen Satz zu Papier zu bekommen.
Natürlich – die Jugendlichen taten all dies im Wissen, dass sie am Ende der Übung problemlos aus dem Rollstuhl aufstehen, sich die Spezialbrille abnehmen, und sich eigentlich jederzeit problemlos mündlich ausdrücken können. Und doch: Bereits diese kurzen Erfahrungen, die sie am eigenen Leib machten, gaben ihnen eine Vorstellung, wie es ist, den Alltag mit einer körperlichen Beeinträchtigung bestreiten zu müssen. Vieles, was für die meisten von uns völlig selbstverständlich ist, und das wir ohne grosses Überlegen tagtäglich hunderte Male machen, kann für Personen mit einer Beeinträchtigung schnell zu einer riesigen Herausforderung werden, die sie oftmals ohne fremde Hilfe gar nicht mehr bewältigen können.
Und genau hier kommt die Rodtegg in Luzern ins Spiel. Diese Stiftung für Menschen mit körperlicher Behinderung existiert seit 1980 und führt eine Separative Sonderschule, an der derzeit 76 Kinder und Jugendliche unterrichtet werden – von der Basisstufe bis zum Schulabschluss. 16 von ihnen wohnen gar auf dem Gelände.
Doch das Angebot der Stiftung richtet sich nicht nur an Kinder und Jugendliche, auch Erwachsene mit körperlicher Behinderung erhalten Unterstützung: Die Stiftung bietet etwa geschützte Arbeitsplätze und Wohnstudios sowie Wohngruppen, in denen erwachsene Menschen mit Mehrfachbehinderungen in kleinen Gruppen zusammenleben und dabei rund um die Uhr betreut werden können.
Text und Bilder:
Michael Bieri und Peter Flückiger